Meine Buchrezension und Zusammenfassung von "Schulden, die ersten 5000 Jahre" von David Gräber

Meine Buchrezension und Zusammenfassung von "Schulden, die ersten 5000 Jahre" von David Gräber

Ich habe das über 600 Seiten dicke Buch durchgelesen und viele Neue Erkenntnisse gewonnen. Das Thema Geld ist zwar sehr komplex, aber man kann es tatsächlich auf wenige Regeln zusammen fassen, was ich hiermit tue:

Zusammenfassung

  • Geld ist Schulden. Des einen Guthaben ist des anderen Leistungserbringungspflicht.
  • Ein Geldstück/-schein an sich hat keinen inhärenten Wert. Erst das Vertrauen, dass es andere haben wollen, macht es wertvoll.
  • Ein System, das vor dem Verleihen auf festgelegte Zinsen und Zinseszinsen pocht, muss wachsen und wird mittel- oder langfristig immer zusammenbrechen, es sei denn:
    ○ Es annulliert ab und zu die Schulden (Z.B. Jubeljahr (Tabula Rasa), Schuldenerlass, Revolution)
    ○ Es verwässert den Geldwert (Inflation)
  • Ein System, dass diese Schulden gnadenlos einfordert, ist das Schlimmste, was Menschen sich antun können. Es führte immer zu Kriegen und Sklaverei.
  • Imperialmächte, die ein stehendes Heer mit Münzgeld bezahlten, waren erfolgreicher, als Königreiche, wo die Menschen normalerweise Bauern und nur in Kriegszeiten Soldaten waren. Das führte dazu, dass diese Imperien wuchsen. Der Staat verteilte Münzen an Soldaten, die sie gegen Gegenleistung unter das Volk brachten, die sie dem Staat wieder in Form von Steuern zurück zahlen mussten. Allerdings funktionierte (wegen der Zinsen) das System nur, solange immer mehr Münzen gedruckt wurden. Der Kreislauf des Schreckens drehte sich immer schneller.
  • Systeme, wo keine vorher festgelegten Zinsen, stattdessen aber variable Gewinnbeteiligungen ausgezahlt werden (z.B. beim Islam) und wo einzelne Personen auch (relativ straffrei) Bankrott gehen können, können dauerhaft bestand haben. Es besteht kein Wachstumszwang. Das Risiko liegt bei den Investoren.

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Aus den Kapiteln

Das am Anfang der Tauschhandel stand ist wohl eher ein Mythos. Zumindest auf das direkte Umfeld bezogen. Es gab eher Aufgaben und Rollen, die innerhalb der Sippe verteilt wurden. Das Langhaus diente als Lager. David Gräber nennt dies den eigentlichen "Kommunismus".
Der Tauschhandel passierte eher mit Fremden.
In einer Hierarchie hat immer oben unten ausgebeutet.
Kapitalismus und Markwirtschaft sind nicht dasselbe (S. 330)

Hier einige Zitate:

Ursprüngliche Schulden

Kerbholz: "Beide Beteiligten einer Transaktion nahmen einen Haselzweig, kerbten ihn entsprechend der geschuldeten Summe ein und teilten ihn dann in zwei Hälften… den Stock und den Abschnitt" (S. 64)

"Im Jahr 1694 gewährte ein Konsortium englischer Bankiers dem König ein Darlehen über 1,2 Millionen Pfund. Im Gegenzug erhielten sie das königliche Monopol für die Ausgabe von Banknoten." (S. 64)
"Bis heute wurde dieser Kredit nicht zurückgezahlt. Er kann nicht zurückgezahlt werden. Wenn er jemals zurückgezahlt würde, wäre dies das Ende des Britischen Währungssystems." (S. 65)

"Wenn man aber den Soldaten einfach Münzen gab und dann verfügte, jede Familie im Königreich habe dem König eine solche Münze zu zahlen, dann hatte man mit einem Schlag seine ganze Volkswirtschaft in eine gewaltige Maschinerie zur Versorgung der Soldaten verwandelt." (S.65)

"Die keynesianische Orthodoxie ging von der Annahme aus, freie Märkte könnten nur funktionieren, wenn die Regierungen sich um sie kümmerten: allem voran, indem sie bei einem Abschwung die Wirtschaft >>ankurbeln<<" (S.70)

"Auch das galt für Rom: Die römischen Bürger zahlten für sehr lange Zeit keine Steuern." (S. 83)

Gewalt und Wiedergutmachung

"Hier oben sagen wir, dass man mit Geschenken Sklaven macht und mit der Peitsche Hunde." (S. 102)

"Erlösung (Redemptio) … die Wiedererlangung von … Famillienmitgliedern, die als Schuldknechte festgehalten wurden." (S. 104)

"Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern… Schließlich sind die meisten Christen sich bewusst, wenn sie dieses Gebet sprechen, dass sie ihren Schuldigern in der Regel nicht vergeben. Warum sollte Gott dann ihre Sünden vergeben?" (S. 108)

Kurze Abhandlung über die moralischen Grundlagen ökonomischer Beziehungen

"In Weißrussland raubten Banden so systematisch Reisende in Zügen und Bussen aus, dass sie es sich zu Gewohnheit gemacht hätten, jedem Opfer eine Art Quittung zu geben als Bestätigung, dass der Betreffende schon einmal ausgeraubt wurde. Dass ist offensichtlich ein Schritt in Richtung Staat" (S. 139)

"Märkte sind nicht real, sondern mathematische Modelle, geschaffen aus der Fantasie einer in sich geschlossen Welt." (S. 145)

"Daher ist der Anspruch lächerlich, wir könnten menschliches Verhalten in der Wirtschaft und in anderen Bereichen auf eine mathematische Formel reduzieren." (S. 146)

"Dass kommunistische Verhältnisse allmählich ins Hierarchische abgleiten, ist keineswegs unausweichlich - Gesellschaften wie die Inuit haben es über viele tausend Jahre geschafft, dies zu verhindern. Aber man muss immer auf der Hut sein." (S.147)

"Was sind also Schulden?... Erstens es muss eine Beziehung zwischen zwei Personen geben … in einem Zustand der Gleichheit.
… Eine genuin unbezahlbare Schuld gibt es folglich nicht.
… Solange die Schuld nicht beglichen ist, gilt die Logik der Hierarchie." (S. 153)

">>merci<< … geht auf >>mercy<< zurück, Gnade. Wenn ich das sage, liefere ich mich symbolisch der Gnade des Wohltäters aus - denn ein Schuldner ist schließlich ein Krimineller." (S. 156)
" >>it's nothing<< … hat zumindest den Vorteil … der Person, der sie das Salz gereicht haben, zu versichern, dass sie in ihr Hauptbuch im Kopf keine Schuld eintragen." (S. 157)
"All das ist eine relativ neue Erfindung. Die Gewohnheit immer >>bitte<< und >>danke<< zu sagen, setzte sich während der kommerziellen Revolution des 16. und 17. Jahrhunderts durch." (S. 158)

Ehre und Entwürdigung

"… was sie am Geld am meisten verstörte, war offenbar ihr eigener heftiger Drang nach ihm. Da man mit Geld alles kaufen konnte, wollte es jeder haben. Das heißt: Es war erstrebenswert, weil es keine Unterschiede machte. Man konnte sehen, dass das Bild von der >>Porne<< tatsächlich angemessen war. Eine gemeine Frau steht willfährig der ganzen Gemeinde zur Verfügung. Von einer solchen Gestalt, die unterschiedslos alle gleich behandelt, sollte man sich lieber nicht angezogen fühlen. Aber natürlich tun wir das." (S.238)

"Wir begegnen der allgegenwärtigen Gefahr rücksichtsloser Gewalt, durch die Menschen auf bloße Sachen reduziert wurden, und dadurch wurde die mörderische Form von Berechnung in das wirtschaftliche Leben eingeführt ...
durch Geldverleiher untragbare Kreditkonditionen aufzwangen und sich anschließend vom Staat die Erlaubnis holen konnten mithilfe von Bewaffneten die Erfüllung ihrer Verträge durchzusetzen."
(S. 246)

Die Achsenzeit

"Militärischen Münzgeld und Sklaverei komplex: diese Bezeichnung beschreibt äußerst anschaulich , wie dieses System funktionierte."
(S. 290)

Das Mittelalter

"Und die Verbote des Zinswucher, die selbst bei gewerblichen Krediten meistens gewissenhaft durchgesetzt wurden, bremsten weder das Wachstum des Handels noch die Entwicklung komplexer Kreditinstrumente. Ganz im Gegenteil. In den ersten Jahrhunderten des Kalifats erlebte der Handel wie auch das Kreditwesen eine Hochblüte. Geld mit Gewinn zu verleihen war durchaus möglich, denn die islamischen Juristen achteten darauf, bestimmte Gebühren und Regelungen zuzulassen, damit Geldgeber und Händler weiterhin einen Anreiz hatten, Kredit zu gewähren.
...
und die Schecks konnten platzen."
(S. 350)

"Stillschweigend wurde hier also anerkannt, dass in einer Kreditwirtschaft, die weitgehend ohne staatliche Exekutive funktionierte, der gute Ruf des Unterzeichners tatsächlich einen wesentlichen Teil des Werts eines Schuldscheins ausmachte... er weist darauf hin, dass es durchaus möglich ist, Ehre in Geld zu verwandeln, während man Geld eigentlich nicht in Ehre verwandeln kann."
(S. 352)

"... das sei ein Sakrileg, weil die Preise auf einem freien Markt vom Willen Gottes abhängen. Jeglicher staatliche Eingriff in die Marktmechanismen als Sakrileg zu betrachten sei, weil Gott die Märkte dafür geschaffen habe, sich selbst zu regulieren. Die auffällige Ähnlichkeit zur unsichtbaren Hand des Marktes bei Adam Smith, die im übrigen auch die Hand der göttlichen Vorhersehung ist, dürfte kein Zufall sein."
(S. 355)

"Der Markt entspringt nicht nur dem grundlegenden Kommunismus, auf dem letzten Endes jede Gesellschaft beruhen muss, sondern ist eine Erweiterung dieses Kommunismus." (S. 356)

"Nun erklärte Ambrosius, jemand, der Zinsen auf ein Darlehen erhob, führe defacto Krieg ohne das Schwert." (S. 362)

"Der ferne Westen, das Abendland, war verglichen mit der übrigen Welt ein ungewöhnlich gewalttätiger Kontinent, und die römisch-katholische Kirche war ungewöhnlich intolerant. So findet man im Mittelalter kaum chinesische, indische oder islamische Parallelen zu Verbrennung von Hexen oder zu Massakern an Häretikern."
(S. 378)

Das Zeitalter der kapitalistischen Imperien

"Es besteht immer die Möglichkeit, dass sich das Geld in einen moralischen Imperativ verwandelt. Lässt man dies zu und breitet sich diese Einstellung aus, so kann sie sich rasch in eine alles beherrschende Moral verwandeln, so dass alle anderen moralischen Gebote im Vergleich dazu albern wirken...
Erkundung, Eroberung und Ausbeutung. diese Struktur beseitigt sämtliche moralische imperative - außer dem Imperativ des Gewinns...
Hernan Cortes, der im Jahr 1521 ein Königreich erobert hatte und auf einem riesigen Berg Gold saß. Er hatte nicht die Absicht, dieses Gold irgendjemanden zu überlassen. 5 Jahre später erklärte er, mittellos und verschuldet zu sein."
(weil damals alle verschuldet waren).
(S. 406)

Aus dem fünften Buch Mose konnte man entnehmen (wenn man die eigentliche Aussage umdeutete), dass Zinsen von Feinden genommen werden durfte.

"..., hielt sich die Annahme, der Zinswucher sei etwas, dass man mit gutem Recht gegen seine Feinde einsetzen könne, weshalb der Handel immer etwas von Krieg an sich habe…
Calvin z. B. bestritt, dass sich das fünfte Buch Mose lediglich auf die Amalekiter beziehe. So wurden die Fluttore geöffnet und zumindest schweigend anerkannt, dass man von nun an alle Menschen einschließlich eines Nachbarn wie Fremde behandeln konnte."
(S. 410)

"Der Schuldner sieht sich gezwungen, fieberhaft alles was ihn umgibt, in Geld zu verwandeln."
(S. 413)

"… sind diese Marktmodelle aber einmal eingeführt, neigen wir dazu sie als objektive Tatsachen zu betrachten oder sogar vor ihnen auf die Knie zu fallen und sie wie Götter zu verehren: wir müssen den Geboten des Marktes gehorchen!"
(S.449)

1971 - Der Anfang von etwas, das noch nicht bestimmt werden kann

"Die Fed beauftragt die Münzanstalt der Vereinigten Staaten, das Geld zu drucken, und bezahlt ihr vier Cent pro Note. Diese Regelung ... erlaubt der Notenbank, der Regierung der Vereinigten Staaten Geld zu leihen, indem sie Staatsanleihen erwirbt und diese anschließend in Geld umwandelt, indem sie das von der Regierung geschuldete Geld an andere Banken verleiht...
Die Macht, Geld zu drucken, liegt also bei der Fed... die Banken... dürfen virtuelles Geld erzeugen, indem sie Kredite zu einem von der Fed festgelegten Mindestreservesatz vergeben…"
"Die Geldpolitik ist sehr undurchsichtig."
(S. 463)

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S. 470

"Die Ökonomen beschwören ständig den Mythos vom Tauschhandel, weil sie die Konfrontation mit einer Tatsache vermeiden wollen, die bei genauer Betrachtung nicht zu übersehen ist: Was war das wohl für ein Mensch, der ein mit Gegenständen gefülltes Haus sah und sich augenblicklich die Frage stellte wofür er diese Objekte auf dem Markt wohl eintauschen könnte? Er kann nur ein Dieb gewesen sein. Räuber, marodierende Soldaten und später vielleicht Schuldeneintreiber waren die ersten, die unsere Welt mit solchen Augen anschauten."
(S. 490)

"und eben dies ist in meinen Augen so verderblich an der Moral der Schulden: Die finanziellen Imperative sollen uns alle zu Plünderern herabwürdigen, zu Menschen, die ihre Umwelt nur als Ansammlung von Dingen betrachten, die potentiell zu Geld gemacht werden können. Mehr noch, nur Personen, die bereit sind, die Welt mit den Augen eines Plünderers zu sehen, verdienen Zugang zu den Ressourcen, die man braucht, um im Leben nach irgendetwas außer dem Geld zu streben. Diese Moral mündet auf fast allen Ebenen in Perversion."
(S. 494)

"Niemand hat das Recht uns zu sagen, was wir wirklich schulden. Niemand hat das Recht uns zu sagen, was wir wirklich Wert sind." (S. 496)

Fazit

Das Buch ist zwar keine leichte Kost, auch wegen der markanten geschichtlichen Beispiele, aber läßt sich trotzdem gut lesen. Ich habe viel über Geld, Wirtschaft, Geschichte und das System gelernt - das System, was wir doch alle irgendwie bekämpfen wollen.
Sehr zu empfehlen für jemanden, der sich für diese Themen interessiert! Fünf von fünf Sternen!

Achim Mertens

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