Die roten Khmer im Kopf

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Wenn ich nach meiner Sparquote gefragt werde, schaut mich die Gegenseite oft irritiert an. Ich müsse die Frage falsch verstanden haben oder irgend etwas falsch berechnen. Ich habe nicht unbedingt den Ruf ein besonders geiziger oder sparsamer Mensch zu sein, da ich gerne mal eine Rechnung übernehme oder eine große Runde schmeiße um nochmal ein wenig die Stimmung anzuheizen.

Auch mag ich gerne mal leben und einen schönen Urlaub machen oder einfach nur mal etwas erleben. Ja, ich kaufe nicht einmal ein wie ein Frugalist. Zwar kaufe ich günstig ein, aber eben doch worauf ich Lust habe. Wie kann man da eine Sparquote von 68% erreichen. Innerlich korrigiere ich immer ein wenig und lasse die 85% lieber außen vor, da ich ja nicht nur Lohn beziehe, sondern ein paar Kapitalerträge oben drein habe.

Wenn jemand in der gleichen Lohnliga wie ich dann sagt, dass man ja maximal 5% am Monatsende zur Seite legen kann, dann reibe ich mir verwundert die Augen. Wie kann es sein, dass man nur so wenig schafft. Es übersteigt meine Fantasy wie man soviel ausgeben kann. Erst wenn ich dann eine Handyrechnung von 50€ im Monat sehe, dämmert es mir langsam, wie man auf solche Werte kommt.

Werde ich um einen Rat gefragt, wie man den mehr sparen könnte, antworte ich oft darauf etwas, dass man in nahezu jedem Ratgeber zum Thema sparen kann, hänge aber meine eigene Nounce noch ans Ende ran: Besteuere Dich jeden Monat selbst … und zwar wie ein steinzeitkommunistischer Terrorstaat.

Gerade wenn man zu Beginn auf seine berufliche Laufbahn blickt, wird man das vielleicht leicht nachvollziehen können. Als Student oder Auszubildener hat man meist ein sehr niedriges Lebensniveau und einfach nicht das Geld um sich das zu kaufen, was man will. Ja bei so manchen wird sogar noch ein wenig die Eltern oder Großeltern als Financée mit rein gezogen (was völlig okay ist).

Denke ich an meine Zeit als Auszubildender zurück, war ich über 250€ im Monat bereits sehr zufrieden und gehörte trotzdem mit zu den Ärmsten meiner Zeit. Fast jede andere Bürojob hat ein vielfaches davon bekommen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ sagt der Volksmund. Beim Studium wurde es noch härter, da ich plötzlich nicht einmal mehr Geld für die Ausbildung bekam, sondern on top dafür arbeiten musste. Das monatliche Buch, dass ich mir früher immer holte war schon ein unerschwinglicher Luxus.

Dann kam der erste richtige Lohn aufs Konto und das ganze war ein Quantensprung. Ich hätte einfach jeden Tag Party machen können und mir alles holen können, was ich haben wollte. Und viele Menschen tun auch genau das. Als Pessimist habe ich daher gesagt, dass es vermutlich nicht so geil bleiben wird und nun auch höhere Kosten auf mich zu kommen, weil jeder die Hand ausstreckt und etwas an meinem neuen Luxus abhaben will… und ich behielt wahrlich recht.

Der Vorteil war aber, dass ich mein Lebensniveau kaum angepasst habe oder nur sehr behutsam. Dadurch kommen die unterschiedlichen Sparquoten beim gleichen Einkommen zu Stande – ich brauche einfach weniger um glücklich zu sein. Dabei greift eben der Trick mit der „Selbstbesteuerung“. Ähnlich wie der Staat halte ich am Anfang des Monats die Hand auf und kassiere meine persönliche Steuer vom Lohn ein.

Das Geld wandert direkt in den Investitionskreislauf. Nicht auf das eigene Konto, da man dann irgendwann Begehrlichkeiten weckt und doch schwach wird. Das ganze kommt direkt runter, so dass man jeden Monat ein langes Gesicht sieht, wenn man schaut, was aufs Konto gekommen ist. Alle weiteren Konsumentscheidungen sind daran gebunden und so beginnt man von ganz alleine sich einzuschränken und günstiger einzukaufen.

Das monatliche Sparen hat eine tiefe Tradition bei den Deutschen und so wird es auch von vielen betrieben. Aber 5% sind schlichtweg viel zu wenig und auch bei 10% macht man noch keine wirklichen Einschränkungen (das heißt nicht, dass das für alle Einkommensgruppen gilt!) Daher immer der Zusatz mit dem steinzeitkommunistischen Terrorstaat.

Sinnbild für diesen sind für mich die roten Khmer, die es nicht bei einem sozialistischen Experiment belassen haben, sondern ein System geschaffen haben gegen das vermutlich sogar noch Nordkorea wie ein Knabenstab wirkt. Man hat die Stadtbevölkerung nicht nur aufs Land zur Arbeit getrieben, sondern ihnen noch der Werkzeuge beraubt. Soll ja nicht nur effizient sein, sondern auch noch fürs Leben lernen!

Genau einen solchen „gütigen Führer“ wie Pol Pot sollte man im Geiste haben, wenn es um die eigene Besteuerung geht. 85% sind da ja eigentlich noch viel zu viel! ;) Nein, das ist eben nur ein Scherz, da die Quote wirklich sehr hoch ist und sehr langfristig aufgebaut werden musste. Aber die Idee sollte klar sein. Um etwas aufzubauen, muss man erst einmal etwas haben. Und die meisten Charakter kommen nur dann aus, wenn sie dies nicht gleich erst zur Verfügung gestellt bekommen.

Am Anfang hilft eine gewisse Schizophrenie sicherlich dabei sich selbst zu besteuern und man hadert mit sich selbst. Hat man dies über Jahre hinweg geschafft, wird es irgendwann eine Selbstverständlichkeit. Der Vorteil darin liegt eben, dass ich mir auf Grund der Reserven auch selbst einen Kredit geben kann. Falls mal etwas unerwartetes passiert. Das ist wesentlich einfacher als sich das Geld von einer Bank zu leihen und danach für sie zu arbeiten. Wenn ich Geld brauche, arbeite ich für mich…

Diese Denkweise habe ich ja schon in einem anderen Artikel dargelegt. Es ist aber die einzig valide Erklärung darauf, wieso ich mir das eigentlich antue. Es mag auf so manchem Konsumfan wirken wie eine Selbstkasteiung. Am Ende ist es aber gerade eher eine Tat die davon getrieben ist, dass man nicht von anderen Abhängig zu sein. Das man nie wieder im Leben von jemanden 250€ hingeworfen bekommen soll und darüber dankbar und froh sein sollte.

Nie wieder soll das passieren und wenn ich nicht irgendwann völlig wahnsinnig werde, wird dies auch nie wieder passieren, selbst wenn ich meinen Job verliere und die Wirtschaft in den Keller geht weil irgendwelche Bomber am Himmel fliegen. Das schon eine Sache die einen Nachts wesentlich ruhiger schlafen lässt als wenn man sich einer Bank über ein Leben lang verpflichtet.

Dazu hat es einen sehr positiven Effekt. Wer weniger hat, muss sich notwendigerweise mehr damit befassen, wo er sein Geld für aufbringt und somit auch was ihn wirklich selbst glücklich macht. Es gibt einfach keine leeren Konsumkäufe um das Loch in seiner Seele zu stopfen, die dann nach ein paar Tagen wieder vergessen worden sind. Man wählt sich wirklich mehr die Dinge aus, die man wirklich zum Leben braucht und wünscht.

Wenn ich sage, dass man sich besteuern soll wie in einem steinzeitkommunistischen Terrorstaat, dann bezieht sich das alleine auf die Steuer. Man sollte nicht in einem solchen Leben wollen. Welche Form von Gesellschaft man dann haben möchte ist dann eine eher individuelle Entscheidung ;)

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Ecency