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München im Südchinesischen Meer

Repost von 2014, wunderbar passend zu dem Artikel des US Naval Institutes, wonach China die Kontrolle im Südchinesischen Meer übernommen habe.

Anfang Februar 2014 bezeichnet der philippinische Präsident Bengino Aquino III. die aktuelle Situation im Südchinesischen Meer als vergleichbar mit dem Münchner Abkommen. Im Gegensatz zu vielen anderen Fällen als diese Analogie bemüht wurde, liegt er nicht mehr völlig falsch.

Auch wenn das Münchner Abkommen gern als Analogie für aktuelle Ereignisse genommen wird, völlig ungeachtet der Frage ob der Vergleich zutrifft, so scheint in Südostasien erstmals seit 1938 wieder annähernd eine vergleichbare Situation einzutreten.

Chinas Ansprüche im Südchinesischen Meer

China beansprucht, salopp gesagt, das ganze Südchinesische Meer bis vor die Küsten Singapurs. Während Spratley-Inseln sehr nah vor den Philippinen, Brunei und Malaysia liegen, liegen sie in etwa achtfacher Entfernung zur chinesischen Insel Hainan. Entsprechend werden die Ansprüche von den meisten Anrainern entschieden zurückgewiesen.

Chinesisch-Philippinische Konfrontation am Scarborough-Riff

Im April 2012 begann am Scarborough-Riff ein zehnwöchiges Katz- und Maus-Spiel zwischen der VR China und den Philippinen. Nachdem ein philippinisches Seeaufklärungsflugzeug chinesische Fischer um das Riff entdeckt hatte, schickte die philippinische Regierung die BRP Gregorio del Pilar um die Fischer zu verhaften. Das ehemals in der US-Küstenwache verwendete Schiff war 1965 auf Kiel gelegt worden und hat eine nur sehr leichte Bewaffnung.

Was das philippinische Flugzeug jedoch nicht entdeckt hatte, waren Schiffe der CMS (Chinese Maritime Surveillance), die unweit der Fischer kreuzten. Diese wurden eingesetzt um die Verhaftung der chinesischen Fischer, die nach philippinischem Recht geschützte Arten gefangen hatten, zu verhindern. Beide Staaten beanspruchen das Riff, keine Seite erkennt die Ansprüche der anderen Seite an. Entsprechend ging es hierbei auch um das Ausüben von Hoheitsrechten, die dem jeweils Anderen nach Möglichkeit verweigert werden sollten.

In der Folge vergrößerte China die Zahl seiner Schiffe massiv und erzeugte so eine große numerische Überlegenheit gegenüber den Philippinen, während die Chinesische Marine Schiffe in einiger Entfernung zusammenzog um die Drohkulisse zu erhöhen. In Zusammenarbeit mit Fischern wurde dann die Öffnung des Hufeisenförmigen Riffs mit einer Seilbarriere verschlossen, was philippinische Fischer zunächst darin einsperrte, während sie nach der Erlaubnis es zu verlassen nicht mit in die Lagune einfahren durften.

Während auf die Philippinen so militärischer Druck aufgebaut wurde, wurden zudem wirtschaftliche Druckmittel zur Geltung gebracht. Philippinische Bananenlieferungen wurden durch umfangreiche und nicht angekündigte Untersuchungen aufgehalten, wonach sie in den chinesischen Häfen verrotteten. Chinesische Touristen durften auf Anweisung der Regierung wegen Reisebeschränkungen die Philippinen nicht mehr zu Urlaubsreisen besuchen.

Während die Schiffe beider Staaten einander also belauerten, hofften die Philippinen auf eine Rückkehr zum status quo ante, während die USA klar machten, dass sie kein Interesse an einer Konfrontation hätten. Sie vermittelten dann einen gegenseitigen Rückzug, der am 15. Juni 2012 in Kraft treten sollte. Unter dem Vorwand seine Schiffe vor einem anziehenden Taifun in Sicherheit zu bringen, gaben die Philippinen nach. China hatte schon im Mai bekannt gegeben, dass das Scarborough-Riff unter effektiver Kontrolle des Landes stehe und dort eine unbemannte Wetterstation errichtet.

Chinas „München“ am Scarborough-Riff

In München konnte Hitler die Abtretung des bis dahin tschechoslowakische Sudentenlands an das Deutsche Reich durchsetzen, weil die tschechoslowakischen Garantiemächte einen Krieg fürchteten. Lieber opferten sie tschechoslowakisches Gebiet, ohne dass die Tschechoslowakei mit am Tisch gesessen wäre, als dass ihre Soldaten gegen Deutschland hätten kämpfen müssen. Dabei wurde Hitler nicht nur weiteres Gebiet zugeschlagen, die in dem Gebiet liegenden schweren Grenzbefestigungen der Tschechoslowakei fielen zudem auch an Deutschland und machten den Rest des Landes wehrlos gegenüber einem möglichen deutschen Angriff.

Wie das Sudentenland ist auch das Südchinesisches Meer von hoher strategischer Wichtigkeit. Die dort vermuteten Ölreserven betragen rund 10% der weltweiten Reserven, die Fischgründe sind reich. Weit mehr als die ökonomischen Aspekte sind jedoch die Politischen von Bedeutung.

Die USA haben einen militärischen Beistandspakt mit den Philippinen, was sie jedoch nicht zu einer Machtdemonstration bewegte um den Verlust des Scarborough-Riffs durch die Philippinen zu verhindern.

China hat mit seiner CMS ein probates Mittel um in einer solchen Situation Stärke zu zeigen. Die Flotte dieser Behörde ist inzwischen sehr zahlreich und viele große, hochseetaugliche, Boote sind in der Lage in solchen Konfrontationen Macht mit nicht-militärischen Mitteln zu projizieren. Indem die VR ihre Kriegsmarine nicht ins Spiel brachte, senkte sie die Wahrscheinlichkeit eines militärischen Eingreifens der USN, war es doch nur ihre Küstenwache, die den Philippinen gegenüberstand. Aus Ermangelung einer eigenen zahlenmäßig adäquaten Küstenwache waren die Philippinen ihrerseits jedoch zum Einsatz von Kriegsschiffen (mit fragwürdigen Kampfwert) gezwungen, was das Land seinerseits dem Vorwurf einer Militarisierung aussetzten musste. Durch das gleichzeitige Andeuten auch das Scarborough-Riff sei ein Kerninteresse der VR, so wie Tibet und Taiwan, wurden die USA zudem von einer übermäßigen Einmischung abgehalten, da eine solche das Verhältnis zur Volksrepublik als solches hätte gefährden können.

Das Resultat des chinesischen Vorgehens ist indes klar: Das Scarborough-Riff wurde mit der Androhung physischer Gewalt und mit dem Mobilisieren zahlreicher Schiffe unter die effektive Kontrolle der VR gebracht. Konsequenzen folgten daraus nicht.

Die USA vermieden ein Zeichen der Stärke, da man die eigenen Beziehungen gegenüber der Volksrepublik wegen ein paar Felsen nicht riskieren wollte. Diese Lektion dürfte in Peking verstanden worden sein, was das rotchinesische Vorgehen im Bezug auf die Senkaku-Inseln in der Folge bewies. Auch die Einrichtung der ADIZ über dem Ostchinesischen Meer dürfte in einem klaren Zusammenhang damit stehen. Inzwischen veröffentlichen staatliche Zeitungen in der VR Artikel, die die ganzen Ryukus inklusive Okinawa für die Volksrepublik beanspruchen. Statt „peace in our time“ zu sichern, dürfte Obamas Zögern den chinesischen Drachen nur noch mehr angestachelt haben.