Warum das Land Hessen unter FUD leidet und nicht HODLn will

Neologismen des Digitalen Zeitalters

Egal wie sich die Kryptomärkte in Zukunft auch entwickeln, einen Bereich unseres Lebens haben sie bereits bereichert: die Sprache nämlich. So bringen die digitalen Anlagegüter ihr ganz eigenes Vokabular mit sich. Die prominentesten Vertreter: HODL, FOMO und FUD. Majuskeln soweit das Auge blickt.   

HODL ist gewissermaßen der kategorische Imperativ des guten Kryptologen. Man möge seine Kryptos doch unbedingt halten, komme was wolle. Der etymologische Ursprung des Begriffs ist durchaus umstritten. Für einige ist es eine enthusiasmierte Falschschreibung des englischen Wortes für halten. So wurde aus hold eben HODL. Andere sehen darin das Akronym für hold on for dear life, frei übersetzt: „Um Himmels Willen halten!“.   

FUD und FOMO beschreiben die psychologischen Ursachen hinter den Bewegungen der Märkte. FUD ist das Abkürzung für fear, uncertainty and doubt, also: Angst, Unsicherheit und Zweifel. Meist wird FUD-geprägtes Sentiment als Begründung für Bärenmärkte herangezogen. 

Das Gegenteil ist FOMO, fear of missing out, also: die Angst, außen vor zu bleiben. Meist werden mit FOMO exuberante Übertreibungen im Markt erklärt.    



Hessens Luxusproblem grafisch dargestellt (Fotoquelle: Eigenkreation).

Der Fiskus will einen Teil der Action 

Wie Die Zeit am 16. Dezember 2017 berichtete, will das Land Hessen 126 BitCoins veräußern, die es bei einer Razzia im Jahre 2014 beschlagnahmt hat. So weit, so unspektakulär. Versteigerungen von beschlagnahmten Gütern durch die öffentliche Verwaltung sind nämlich nichts Ungewöhnliches. Die Augenbrauen der Zeit-Leser dürften sich allerdings gehoben haben in Anbetracht der Tatsache, dass die BTC im Zeitpunkt der Konfiszierung 50.000€ wert waren und nunmehr bei einem Marktwert von 1,9 Millionen Euro stehen. Das ist eine Menge Holz, bei dem auch die Herrschaften im Innenministerium in Wiesbaden feuchte Hände bekommen. Tatsächlich wollen sie, so der Artikel wörtlich, die BitCoins rasch verkaufen, bevor der Kurs womöglich wieder einbricht.  Der schnelle Verkauf einer Kryptowährung nach hohen Zuwächsen aus der diffusen Angst eines baldigen Kursrückgangs ohne nähere Begründung, das ist ein klassischer Fall von FUD.  

http://www.zeit.de/wirtschaft/2017-12/hessen-bitcoin-verkauf-gewinn



FUD und seine Gründe
Damit man mich nicht falsch versteht: Kryptowährungen sind riskante Anlagen und Vorsicht ist durchaus geboten. Insbesondere der BitCoin selbst ist mit verschiedenen abstrakten Risiken behaftet, derer man sich bewusst sein sollte, bevor man 16.500€ für einen bezahlt.  

Zu diesen Risiken gehören einerseits technische Fragen. Wie gut ist die Währung skalierbar? Wie lassen sich Transaktionsvolumen und -geschwindigkeit auf hohem Niveau möglichst störungsfrei garantieren? Zu den gefühlten technischen Risiken gehört auch die irrationale Angst vor einer Hintertür in den BitCoin. Nicht wenige glauben noch immer, dass diese schon sehr bald von der NSA zugeschlagen werde. 

Für mich liegen die größten Risikofaktoren in Politik und Rechtsprechung. Es wäre sicherlich nicht gut für die Entwicklung der Kurse, wenn BitCoin und andere Kryptowährungen gesetzlich verboten werden würden. An dieser Stelle muss man sich allerdings fragen, ob es praktisch überhaupt möglich ist, ein dezentrales Netzwerk zu verbieten oder gar abzuschalten, wie das einigen Nichtinvestierten anscheinend vorschwebt. 

Hessen ist übrigens nicht die einzige europäische Gebietskörperschaft mit signifikantem BitCoin-Besitz. So wurde vor einigen Wochen gemeldet, dass Bulgarien über drei Milliarden Euro in beschlagnahmten BitCoins besitzt. Durch die Veräußerung dieser Coins könnte sich Bulgarien unverzüglich seiner Staatsschulden entledigen. Von sofortigen Verkaufsbestrebungen war damals jedoch nicht die Rede. Haben die bulgarischen Staatsdiener die Kryptowährungen besser verstanden? Sind sie FUD-resistente HODLer?   


FUD als Paradoxon

Weil Hessen ein vergleichsweise wohlhabendes Bundesland ist, wirkt die Entscheidung, dass die Beamten in Wiesbaden eine exponentiell im Wert steigende Währung unmittelbar vor Beginn der Early-Adopter-Phase veräußern wollen, zumindest exzentrisch.   

Allerdings fühle ich mich dem Land Hessen für diesen Vorstoß zu Dank verpflichtet. Dem hessischen FUD-Anfall liegt nämlich ein Paradoxon zugrunde. Hessen will seine BTC schnell verkaufen, weil es einen Kursrückgang befürchtet. Indem Hessen diesen Verkauf anregt und letztlich wohl auch durchführt, sinkt das politische und juristische Risiko für einen Kursverfall. Mit anderen Worten: Wenn das Land Hessen oder der bulgarische Staat oder irgendeine andere von der Europäischen Union anerkannte Gebietskörperschaft BitCoins in einer offiziellen Versteigerung gegen Euro veräußert, wird ein gesetzliches Verbot solcher Transaktionen mittelfristig unwahrscheinlich.

Ich sehe im hessischen FUD einen wichtigen Schritt in Richtung Normalisierung und Verbreitung der Kryptowährungen.



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