Einmal Hölle, Himmel und zurück - Erinnerungen an meine “Wiedergeburt”

Durch Zufall ecency.com entdeckt und dort keine Option gefunden ein Downvote zu vergeben. Da ich aber denke, dass es nur ein Frontend ist, mache ich doch einmal einen Test, wie viele Flaggen ich hierüber erhalte :)

Die Geschehnisse liegen jetzt genau 5 Jahre zurück. 5 Jahre, die weiter leben darf. Auch wenn es viele Hochs und Tiefs gab - ich bin unendlich dankbar für diese geschenkte Zeit. Auch wenn ich diese Geschichte schon einmal vor 5 Jahren veröffentlicht habe, möchte ich sie heute noch einmal mit euch teilen.

Heute ist der zweite Tag, wo ich wieder halbwegs klar denken kann, da die Dosierung der Schmerz- und Beruhigungsmittel verringert wurde. Um nicht alles zu vergessen, was ich in den letzten Wochen durchgemacht habe, schreibe ich das Durchlebte auf.

In den letzten Monaten dachte ich ja immer, ich hätte dies Aua oder das Wehwehchen, alles mit verschiedenen Symptomen. Im August wurde ich in einer Klinik in Griechenland laienhaft untersucht. Nach der Diagnose „Nierenbeckenentzündung“, bekam ich eine Mörderdosis Antibiotika verschrieben. Aber wie sich später herausstellte, lag mein Unwohlsein und meine Schmerzen daran, dass sich eine Sonde von meinem implantierten CRT-D (3-Kammer-Schrittmacher) durch Bakterien infiziert hatte. Höchstwahrscheinlich kam die Infektion vom Wasser in Griechenland, das ich noch nicht einmal getrunken, sondern nur zum Duschen verwendet hatte.

Hier jetzt meine Odyssee der letzten Wochen, in dem Maße, wie es meine Erinnerung hergibt. Da ich einige Tage komplett ruhig gestellt worden bin und auch einige Zeit auf der Intensivstation lag, bekomme ich alles nicht mehr 100% zusammen und der zeitliche Ablauf kann durchaus etwas anders gewesen sein.

Los ging alles Mitte November 2016 als ich nicht mehr Wasser lassen konnte und einen starken Reizhusten hatte - plus Fieber bis zu 40°. Also, auf ins Krankenhaus und in die dortige Notaufnahme. Dort angekommen sind wir auch gleich dran gekommen und es wurde Blut abgenommen und die üblichen Fragen über die aktuelle Gesundheit gestellt. Danach passierte knapp 3 Stunden nichts, bis eine Röntgenaufnahme vom Thorax (Brustkorb) gemacht wurde und ich wieder zu einem Gespräch zu dem dortigen Assistenzarzt bestellt wurde. Er sagte dann, dass ich eine Nierenbeckenentzündung habe und er wolle mir jetzt einen Katheter in die Harnröhre setzen, um das Wasser lassen zu ermöglichen. Er versuchte, dann sage und schreibe 30 Minuten lang mir einen Katheter in die Harnröhre bis zur Blase zu schieben, was ihm aber nicht gelang. Was man da an Schmerzen aushalten muss, wird sich jeder denken können. Da das Setzen des Katheters durch die Harnröhre nicht klappte, wurde mir kurzerhand ein Katheter durch die Bauchdecke in die Blase gelegt. Dieser wurde nicht einmal richtig befestigt (wird eigentlich festgenäht) sodass er sich einige Zeit später – in der Nacht – von selbst wieder aus der Blase schob. Dann bekam ich noch ein Entlassungsschreiben mit, in dem dann auch noch fälschlicherweise stand, dass ich eine Niereninsuffizienz als Vorgeschichte habe, obwohl es eine Herzinsuffizienz war. Diese Niereninsuffizienz steht jetzt in allen meinen Krankenakten der Krankenhäuser sowie bei meinem Hausarzt.

Wieder zu Hause angekommen, nahm ich die verschriebenen Medikamente, Antibiotika und Mittelchen gegen den Husten. Am nächsten Tag suchte ich dann einen Urologen auf, so wie es mit dem Arzt im Krankenhaus abgesprochen war. Dieser untersuchte mich dann und ich bekam einen Termin für 4 Tage später zum Röntgen der Harnröhre. Abschließend meinte er dann, akut wäre es ja nicht, da ich einen Katheter in der Bauchdecke hätte und dadurch Wasser lassen könne.
Dann wieder zurück nach Hause und gleich wieder ins Bett gelegt, da es mir echt dreckig ging. Dann ging es los mit Schüttelfrostanfällen der extremen Art, welche 10 - 15 Minuten anhielten. 2 Tage habe ich mich zusammengerissen und dachte, dass die Medikamente erst einmal wirken müssten. Dann ca. gegen 22 Uhr bekam ich einen Schüttelfrostanfall mit Atemnot und ich dachte jetzt sei mein Ende gekommen. Es wurde ein Rettungswagen bestellt und als die Sanitäter angekommen waren, war der Anfall bereits am Abklingen. Ich wurde dann mit in die Notaufnahme genommen, wo ich wieder untersucht wurde und man hat mich stationär in der dortigen Klinik eingewiesen. Ich wurde in ein Dreibettzimmer gelegt und bekam ein starkes Schlafmittel, sodass ich sofort einschlief. Als ich dann wieder aufwachte, ging es mir einfach nur noch dreckig. Man nahm mehrmals Blut ab um es zu untersuchen. Es wurde dann ein ganz spezieller Bakterienstamm im Blut gefunden, aber keiner konnte sagen, woher der kam. Nun bekam ich pro Tag über 20 Infusionen mit verschiedenen Antibiotika in der Hoffnung, dass irgendeines davon anschlägt. Ich hatte weiterhin 2 - 3 schlimme Schüttelfrostanfälle pro Tag, die mich zum Heulen brachten. Das Pflegepersonal hatte mir anfänglich keine Medikamente gegeben, sondern nur Händchen gehalten und auf mich eingeredet. Erst als ich ein Tablett mit Geschirr in Richtung Tür geschmissen hatte, bekam ich starke Psychopharmaka und so bekam ich von den Anfällen nichts mehr mit. Auch jedes Mal, wenn ich merkte, dass wieder ein Anfall heranrollte, bekam ich jetzt das entsprechende Pilerlchen und konnte alles gut und ohne schlimmstes Zittern und Kältegefühl überstehen. Fieber war langsam auf über 40 und auch sonst ging es mir stündlich immer schlechter.

Dann kam der Himmel: Um mich vollends ruhigzustellen und mir so auch die Schmerzen und die Angst zu nehmen, bekam ich etwas, das mich glatt in eine andere Welt katapultierte. Ich war echt in einem anderen Universum, wo es mir richtig gut ging. Das Erlebte dort war dermaßen real, dass ich sogar festsitzende Erinnerungen von dem dort vermeintlich Erlebten habe. Auch kam es mir vor, als ob ich dort einen längeren Zeitraum – mehrere Monate, wenn nicht sogar Jahre – verbracht hätte und nicht nur knapp 3 Tage.

Eine Sache muss ich noch erwähnen: auf meinem Krankenzimmer war ein ca. 30-jähriger Patient, der an Aids erkrankt war. Am zweiten Tag, den ich auf dem Zimmer lag, kam ein Mann herein. Erst später erfuhr ich, dass es ein Seelsorger war. Dieser unterhielt sich mit dem Aidskranken und sagte dann auf einmal, dass er in 2 Tagen aus der Klinik könne und er solle sich, da Weihnachten vor der Tür stehe, noch einmal eine schöne Woche mit Freunden und Familie machen. Danach solle er in ein Hospiz, wo man ihn die letzten Tage begleiten und dafür sorgen werde, dass er so gut es geht schmerzfrei ist. Der Patient war wie vor den Kopf geschlagen, denn irgendwie kam der Seelsorger nicht gemeinsam mit einem Arzt, sondern allein. Und er war der Meinung zu wissen, dass der Patient nur noch ein paar Wochen zu leben habe. Der Typ war natürlich vollkommen fertig und wurde dann sofort auf ein anderes Einzelzimmer verlegt. Der Hammer ist alleine schon, dass solche Angelegenheiten im Beisein von anderen Patienten, die alles mitbekommen, besprochen wird.

Da es mir auch immer schlechter ging, sollte ich auf ein anderes Zimmer verlegt werden. Dabei bekam ein Pfleger meinen Schrittmacherausweis in die Hand und fragte den anwesenden Arzt, ob denn bekannt sei, dass ich einen Herzschrittmacher habe. Dieser schaute verdutzt und sagte, ihm wäre nichts bekannt. Schon bei der Notaufnahme wurden alle Daten aufgenommen und auch eine Kopie meines Schrittmacherausweises angefertigt. Nun wurde ich auf die Schnelle in die kardiologische Abteilung gebracht und es wurde ein Schluckecho erstellt. Ich musste einen Schlauch - von der Dicke eines Gartenschlauchs - schlucken, an welchem Messinstrumente angebracht waren. Innerhalb einiger weniger Minuten war klar, dass eine von den drei Sonden die an dem Schrittmacher angeschlossen und in der Herzwand verankert sind, mit Bakterien infiziert ist. Jetzt wurde Rücksprache mit dem Herzzentrum in Berlin gehalten und ich wurde am selben Abend dorthin überführt. Als dann der nächste Spezial-OP-Saal für Eingriffe am Herz frei war, wurde eine Not-OP durchgeführt. Während der OP und dem Eingriff hörte mein Herz über 8 Minuten aufzuschlagen und ich war tot – wurde aber glücklicherweise wiederbelebt. Auch hat sich beim Entfernen der infizierten Sonde ein Stück des infektiösen Materials gelöst und in die Lunge verlagert. Nun hatte ich also zusätzlich auch noch eine Lungenembolie. Das einzig Gute war, dass man die drei Sonden durch die Herzvenen entfernen konnte. Es hätte auch passieren können, dass sie von außen durch den Brustkorb aus dem Herzen operiert werden müssen.

Die Hölle: Nach der OP kam ich für einige Tage auf die Intensivstation und dort hatte ich die schlimmsten Erlebnisse meines Lebens, die ich bis heute noch nicht verarbeitet habe. Ich musste mich schon öfters mit dem Tod und Leid auseinandersetzen, aber was ich dort bei klarem Verstand erlebt habe, werde ich wohl bis ans Ende meiner Tage nicht vergessen können. Nach einigen Stunden war ich auf der Station bei mehr oder weniger vollem Bewusstsein und bekam so alles mit, was um mich herum geschah. Ich bekam mit, wie schwerstverletzte Unfallopfer gebracht und stundenlang um deren Leben gekämpft wurde. Zwei Patienten sind unmittelbar neben mir verstorben und ich habe alles mitbekommen: vom Wiederbelebungsversuch bis zum Eintreffen der Angehörigen, die verzweifelt mehr oder weniger zusammengebrochen sind. Gegenüber von mir, lag ein älterer Mann der ununterbrochen im Minutentakt laut nach einer Waltraud rief. Wie die Krankenschwester mir sagte, sei das seine Frau, die schon vor einiger Zeit verstorben war. Ihren Angaben zufolge habe der Mann niemanden mehr, der sich um ihn kümmere oder besuche.

Es gibt meiner Meinung nach nichts Schlimmeres, als allein alt zu werden. Wenn man niemanden hat, der einen tröstet, Beistand leistet und wenn es notwendig ist auch pflegt, ist das für mich eine ganz schlimme Vorstellung. Dann doch lieber eine Zweckverbindung eingehen, wenn jeder weiß, woran er ist, mag das auch gehen.

Ich möchte, wenn ich meine letzten Atemzüge einmal machen werde, dass jemand meine Hand hält und mir – fest daran glaubend – ins Ohr flüstert, dass alles gut ist und man sich ganz sicher wiedersieht.

Als ich von der Intensivstation auf die normale Krankenstation verlegt wurde, hatte ich dann drei Wochen vor mir, wo ich jeden Tag bis zu 20 Antibiotikainfusionen bekam. Ganz langsam sind die Bakterien im Blut abgestorben und nach drei Wochen waren sie nicht mehr nachweisbar. Dadurch, dass sich das infektiöse Material von der Sonde gelöst hatte und so in die Lunge gelangt ist, hatte ich tagelang den schlimmsten Husten. Die ersten 4 - 5 Tage lag ich fast nur im Bett und habe mich umsorgen lassen. Eine richtig gute Meditation hat mir gegen die Schmerzen, die Hustenanfälle und Schüttelfrostattacken hindurchgeholfen. Das Personal auf der Krankenstation des DHZ Berlin war einfach nur super nett zu mir. Man stellte einen Schwingsessel aus einem Privatzimmer kurzerhand neben mein Bett und es kam auch mal jemand, wenn es die Zeit zuließ, auf ein längeres Schwätzchen vorbei. Ich war nun schon in vielen Kliniken, aber der dortige Umgang mit Patienten ist einfach nur herausragend und das, egal ob Kassen- oder Privatpatient. Im Normalfall sind die Patienten dort nur 2 - 3 Tage, wenn eine Herzkatheteruntersuchung gemacht wird. Der dortige Chefarzt hat dafür gesorgt, dass ich auf dieser Krankenstation bleiben kann, obwohl ich eigentlich wieder weiter verlegt werden sollte.

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