Von der Normandie zu den Seelower Höhen

Augen zu und durch

Die Fähre legte gegen Mittags an. In Frankreich soll ab 19, 20 oder 22 Uhr eine Ausgangssperre herrschen. So genau wußte das keiner, und man bekam unterschiedliche Auskünfte, je nachdem, wen man fragte. Es gab da eine Seite des französischen Innenministeriums, wo man sich eine Attestation de Déplacement Dérogatoire Ich habe mir den Wisch heruntergeladen und ausgedruckt, so daß ich mich auch während der Sperrzeiten auf den Straßen bewegen konnte, und das gerne auch unbehelligt.

Die erwartete Kontrolle der inzwischen eingetroffenen PCR-Tests blieb aus. Man fragte lediglich nach dem Paß, scannte diesen ein und wünschte mir "bon voyage". Skeptisch fuhr ich weiter und wartete darauf, jederzeit vom Zoll angehalten zu werden. Oder von irgendeiner Corona-Gestasi. Aber nichts geschah. Ich verließ den Fährhafen und fuhr an die Tankstelle. Wie jetzt? Und das war's? Da hätte man sich das ganze Theater auch ebenso gut sparen können.

Beim Einstellen der Navigation fiel mir auf, daß gar nicht so klar war, wie ich fahren sollte. Zwischen der Normandie und den Seelower Höhen liegen mehrere Gaggerl-Länder, die jeweils eigene Regeln für ihren eigenen Affenzirkus haben. Sollte ich nun die nächste Stunde damit verbringen, herauszufinden, welche route die beste wäre, und dadurch die Zeit hier versitzen, die man besser verfahren sollte, um möglichst vor der Sperrstunde aus dem Land zu sein? Hört sich ziemlich unsinnig an - wie so vieles in diesen Zeiten.

Ich stellte also das Ziel Küstrin ein und fuhr los. Als ich aus der Stadt war versuchte ich die Susi zu erreichen, damit sie mir den besten Weg heraussucht. Aber Madame war im Urlaub und somit nicht rund um die Uhr erreichbar. Als Mann von Welt hat man natürlich eine Ersatzsekretärin. Also in München bei der Jana (Grand Canyon Tour 2006) angerufen und das Problem geschildert. Wenige Minuten später rief sie zurück und meldete, daß es wohl am geschicktesten wäre über Luxemburg einzureisen, weil es da keine Restriktionen gäbe. Trifft sich sowieso, denn da gibt es billigen Diesel und gute Verpflegung. Und am besten sollte man nicht über Paris fahren, sondern die etwas längere Strecke nehmen, die jedoch deutlich schneller ist, da man da nicht stundenlang im Stau steht. Also, auf zur Esso Remerschen in Luxemburg.

Nun einfach dem Navi folgen und warten bis die Tankstelle auftaucht. Daß ich mich einige Stunden später im Pariser Stau wiederfand konnte ich mir wieder mal nicht rational erklären. Wie bin ich denn nun hier hingeraten? So eine Blödheit. Weitere Stunden später hatte ich dann Paris hinter mir gelassen und näherte mich der alten Westfront.

Autotransport Frankreich - brasilianischer VW-BusBild: Besold (2021)
An diesen T2 VW-Bussen befinden sich noch die brasilianischen Kennzeichen. Diese Busse wurden dort bei VW bis vor wenigen Jahren noch praktisch unverändert hergestellt.

Die Bekannten Namen tauchten auf Verdun, Metz, Thionville, Nancy... Ich näherte mich diesmal von Süden, um nicht unnötig über die belgische Grenze zu fahren. Spät nachts war ich dann da, füllte den Alhambra und den Reservekanister voll, kaufte noch eine Pallette Dosen-Spezi, um nicht in die Verlegenheit zu kommen, in DE Getränkedosen kaufen zu müssen und mich dann mit diesem vollkommen bescheuerten Pfandsystem dieser Idiotenrepublik herumzuärgern. Weiter ging es dann ohne großen Aufenthalt. Die deutsche Grenze war wenige hundert Meter nach verlassen der Tankstelle überschritten. Jetzt bloß raus aus dem Grenzbereich, sonst gehen hier noch die Kanaldeckel auf und es kriechen uniformierte Mißgeburten daraus hervor. Es blieb jedoch alles still. Weit und breit keine Regime-Schergen zu sehen. Auch nach mehreren Stunden auf der Autobahn blieb alles ruhig. Sehr verdächtig. Nirgendwo ein Streifenwagen. Sollten die alle voll ausgelastet sein damit, den richtigen Sitz der Masken bei Rentnern zu überprüfen? Mir sollte es nur Recht sein. Hauptsache sie bleiben weg.

Eigentlich wollte ich in Salzgitter ein paar Papiere abholen, aber nirgendwo war ein Schild mit der Aufschrift Salzgitter zu sehen gewesen. Als ich die vielen Schilder mit der Aufschrift "Berlin" sah, dämmerte es mir, daß ich daran vorbeigefahren sein mußte.

An Berlin fuhr ich bei Sonnenaufgang vorbei, gerade noch rechtzeitig vor dem Berufsverkehr und nun mußte ich nur noch den Schildern nach Frankfurt an der Oder folgen, dann sollte es geschafft sein. Die vorletzte Dose Red Bull war angebrochen, jetzt noch ein bißchen durchhalten und dann den Benz abholen und ins Hotel einchecken. Freilich mußte man das vorher buchen, aber es gab wie immer keinen konkreten Plan, was nach der Ankunft zu tun war. Ich überlegte hin und her, was wohl am Schlauesten wäre. Und während ich so vor mich hin überlegte, stand ich plötzlich an einem Maut-Häuschen. "Hä? Seit wann verlangen die in diesem Kackland jetzt auch noch Maut? Und überhaupt, seit wann sind die Autobahnschilder in DE grün? Und seit wann bezahlt man hier in Sloty?" Das Hirn schaltete sich kurzeitig ein und meinte: "Du Volldepp bist wahrscheinlich irgendwo in Polen." Ich bezahlte die Maut, fuhr von der Autobahn an eine nahegelegene Tankstelle und versuchte die Lage zu eruieren. Die neue polnisch-deutsche Grenze war 60 km westlich von meinem Standort. Ich bin also über die Grenze gefahren und habe es nicht gemerkt. Und das während Corona...

Nun überlegte ich was zu tun war. Ich konnte sofort zurückfahren, aber vielleicht komme ich dann nicht mehr zurück. Ich muß auf jeden Fall Kippen besorgen und volltanken, allerdings nicht den Alhambra, sondern den Benz. Und vor allem schlafen. Also, erst schlafen und dann die Autos austauschen, oder umgekehrt. Ich rief bei Yves an an und fragte, ob die Drecksbullen an der Grenze stehen. Einige Zeit später berichtete er, daß auf polnischer Einreiseseite kontrolliert wurde, auf deutscher jedoch nicht. Ich fuhr also los bis zur Tankstelle unmittelbar vor der Grenze. Dort besorgte ich Cigaretten und tankte zumindest den Kanister voll.

Ich fuhr daraufhin in den Hof und da stand auch schon der Benz. Vollgetankt bis zur Krause und abfahrbereit. Nun wollten wir erneut auf eine Probefahrt gehen. Die des letzten Sommers fiel kürzer aus, weil die Klimaanlage ausfiel. Nun war die neue Klima mit einem original Mercedes-Benz Klimakasten verbaut. Das komplette Umräumen der Fahrzeuge sparte ich mir, denn eigentlich war hier auch schon klar, daß ich vor der Abfahrt sowieso nochmal hierher kommen würde. Ich mußte schließlich in Polen tanken, aber mit vollem Tank hatte das wenig Sinn...

Ein paar kleine Justierungen waren noch fällig, dann konnte es losgehen. Der Alhambra würde vorerst hier bleiben und entweder wird er verkauft, oder ich hole ihn im Herbst wieder ab. Bezeichnenderweise sprang er nicht mehr an, als ich ihn in den Hinterhof fahren wollte. Der Blaue mußte für die Starthilfe herhalten.

Starthilfe Benz → Alhambra
Bild: Besold(2021)
Starthilfe für die letzten 30 Meter.

Eigentlich konnte es nun losgehen. Nächster Halt München... Ich fuhr los, die Klima auf Minimum. Da fiel mir aber auf, daß es nicht so kalt blies wie es sollte. Klar, sie war auf niedrigster Stufe, aber draußen hatte es gerade mal 15°C. Ich schrieb Yves und er meinte, ich könne man nächsten Tag vorbeikommen. Da ich sowieso schlafen mußte, nahm ich ein Hotel in Seelow.

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Ecency