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Land der großen, weißen Wolke VIII

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Ich war bei den Kindern, in ihrem Zaubergarten. Den hat sich meine kleine Waldorfschülerfamilie dort am Rhein aufgebaut. Zwei der Burschen sind Schreiner. Die Ausstattung des Geländes erscheint dadurch professioneller. Ich meine, es ist beinahe ein kleines Hotel entstanden. Zwei Wohnwagen schirmen den vorderen Bereich zur Straße hin ab und dienen als komfortable Schlafkabinen. Der Bauwagen aus Holz wird auch zunehmend brauchbarer. Zwanzig Meter weiter, tiefer im Garten, am Rand zum benachbarten Rockergrundstück hin, liegt eine Art neuseeländisches Pfahldorf, dem eine solide Sommerküche zur Seite steht.

Maori

Das Ensemle dreier, zur zentralen Feuerstelle hin offener Pfahlhütten im Insulanerstil, wurde hufeisenförmig zur komfortablen Liege– und Sitzanlage gruppiert. Hier versammeln sich Familie, Maori und Freunde um ein imposantes Feuer herum, das im Atrium der drei Hütten von einem soliden Steinkreis eingefasst wird. Jerry, der Golden Retriever hat, während einer Nacht, drei Mal gebrannt. Sein angefackeltes Fell stank mehrfach durch das Lager, aber er hat sich immer wieder an die gleiche Stelle geflözt. Ich weiß auch warum.

Von einem Träger herab hängt dort der Schwenkgrill über der Flamme. Jerry hat sich am späten Nachmittag, als noch nichts brannte, das Stück Fleisch geklaut, was Nachbar Reiner für uns dort hingelegt hatte. Es war Reiners Spende, da er den Abend in der Stadt verbringen wollte und nicht mehr warten konnte bis das Feuer so weit war, dass er grillen konnte. Auf ihn wartete sein amputierte Mutter, ein Hundertsechzig Kilo Mann und eine geheimnisvolle Damer, derentwegen er nach Rasierwasser duftete. Reiner hatte eine lange Indianerfeder im Haar und sah strotzend gesund aus unter seinen wogenden, grauen Locken, als er mir reichlich von seinem Rum einschenkte und meinte, ich sei vollkommen in Ordnung. Warum der Indianer vom Rhein Reiner heißt, ist nur ein Scherz. Meine Leser wissen schon, von wem. Von mir ist der nicht!

Ausstattung

In die Lagerstätte hinein schlagender Qualm verzieht sich sofort durch die großzügige Öffnung über dem Rückenteil meiner Lieblingshütte. Die andere Hütte ist sowieso rundum offen. Sie ist eine Art Häuptlingshalle, mit Teppichen ausgelegt, bequemen Kissen, Polstern und kurzbeinigem Tisch in der Mitte, auf dem man wunderbar Schach, Go oder Dame spielen kann. Die schmalste Hütte, die beiden großen optisch verbindend, ist eine Art Sofa im Regal und sieht aus, wie der offene Beichtstuhl des Domkapitels. Eine Person kann gemütlich darin schlafen. Zwei Personen müssten schon verliebt ineinander sein.

Fragt mich ruhig mal nach den sanitären Anlagen! Kein Problem. Die Grundwasserpumpe fördert auf Muskeldruck und eine gemauerte Trockentoilette–Anlage hinten, wo es zum Altrhein hinunter geht, hängt kurz vor dem Abgrund zum Altarm an einem Wirtschaftsgebäude. Dort besorgt eine so raffinierte, wie einfache Technik mit transportablem Rieseneimer und Sägespänen das, was woanders der Chemie oder eines aufwändigen Rohrsystems bedarf. Der Service funktioniert, also geht man auch gerne mal dort hin. Sägespäne fallen in der Schreinerei massenweise ab. In einer Menge, die der des Spülwasser von Wasserklosetts in keiner Weise nachsteht.

Auenland

Zwei der Neffen leben im Sommer hier. Es handelt sich in Wirklichkeit um einen Neffen, und einen Schwippneffen. Sie versorgen Hühner und Schafe, die im eingezäunten Witschaftsteil des Geländes untergebracht sind. Das ist aber so weit weg, man hört und sieht nichts davon. Die Tiere haben sogar eine Art Weide. Neulich hat der Fuchs drei Hühner geholt. Deswegen dürfen die Damen auch nicht mehr hinaus. Die Hinkel könnten aber auch Futter für einen Horst gewesen sein. Das Auenland ist ein Raubvogelparadies und Reste der Tiere waren keine zu finden. Die Kinder nennen ihren Garten selbst „Auenland“. Sie meinen damit das Land von Tolkien, wo die Hobbits wohnen.

Ich stelle bei jedem Besuch erneut fest, dass sie ein kleines Paradies geschaffen haben. Das Grundstück iegt etwa auf der Hälfte einer unübersichtlichen Landspitze zwischen Rhein und dem undurchdringlichen Naturschutzgebiet eines Altarmsystems. Auf der seiner Kopfseite strömt der Rhein in tiefem, breiten Kiesbett schnell vorbei. Mit herrlich, großzügigem Strandbereich. Als ich ankam, ging gerade eine meiner lieblichen Nichten, zusammen mit ihrem reizenden Freund über den Deich, hinunter zum Schwimmen.

Strömung

Ich meinte: „Da oben liegen aber hundert Kläranlagen,“ doch sie lachten nur, es hätte ihnen noch nie geschadet. Der Rhein ist hier wirklich sehr schnell, wie ich selbst früher einmal am eigenen Leib erfuhr. Selbst die Fähre hat hier einen interessante Fahrstil mit Drehung und Stampfen gegen die Strömung. Die hängt nicht etwa an einem Seil, wie manche träge Mainfähre. Ein kleines Stück weiter, am Flussschwimmbad von Neckarau, hatte ich ein Paddelboot, zusammen mit fünf Kindern, bis zur Silberpappel hinauf navigiert. Die Orte liegen höchstens 1500 Meter auseinander.

Ich muss sagen, es war purer Leichtsinn das überhaupt zu probieren. Völlig unvorbereitet wurde ich mit einer ungeahnt starken Strömung konfrontiert, währendessen die Kinder sich stritten, wer paddeln durfte. Als sie es schließĺich taten, weil meine Verzweiflung zu spüren war, hatten sie von Rhytmus und Timing natürlich keine Ahnung. Doch es war keine Übung und wir mussten alle kräftig paddeln. Eines der Paddel ging sogar verloren. Das trieb vielleicht irgendwann an Düsseldorf vorbei und beunruhigte Spaziergänger am Niederrhein. Ich erreichte, mit Glück und letzter Kraft, das ruhige Gewässer der Silberpappel und wir sind alle noch einmal davon gekommen.

Mordor

Auf einer nahezu unbefahrenen, gut ausgebauten Sackgasse fährt man auf dem Damm entlang des Rheinufers, bis zum Garten. Am dessen Fußende liegt der Altarm. Während des Hochwassers steht der mit dem Fluss noch in Verbindung. Nur in extrem trockenen Sommern zieht sich das Wasser überhaupt aus ihm zurück. Jetzt, Ende des Frühlings, ist es ein unheimlich schwarzes Gewässer, bedeckt mit hellgrünen Wasserlinsen, die wie ein Teppich auf seiner Oberfläche liegen. Durch enge Löcher des kleinteiligen Grüns hindurch, weisen dürre Finger abgestorbener Aste in den Himmel eines Urwaldes, der alle Ufer säumt wie ein großes Geheimnis.

Er nimmt dich auf, keine zwei Schritte hinter dem Garten. Die Ausläufer mächtiger Äste, in Stürmen krachend in den Morast des Ufers hinein gestreckt sind gefangen, oft beinahe versunken. Sie wirken im grünen Zwielicht wie tückische Wesen, die auf Beute lauern. „Wie in Tolkiens Land Mordor, wo du zum Ork wirst?“, fragte ich einen Neffen. „Nein, Mordor ist trocken und vulkanisch. Mordor liegt am Rheinufer gegenüber.“ Dort sind die drei gigantischen Blöcke vom Großkraftwerk.

Giganten

Hohe Bäume, gewaltige Solitäre, bilden eine Art geschlossener Halle über dem ruhig liegenden Wasserarm. Der Himmel scheint nur stellenweise durch, die Sonne blitzt als Strahl hinab und wird vom Schwarz des offenen Wassers verschluckt. Tote Stämme, der bloße Durchmesser einem Erwachenen bis zur Hüfte hinauf reichend, verwandeln die Ufer in ein verschlossenes Gelände. Wie sinkende Schiffe liegen ihre Leiber, üppig bemoost und behindern jedes Weiterkommen. Es sind gefallene Giganten, die vom Zerfall erzählen und den dunklen Urwald einzäunen.

Dort stand ich am steilen Ufer und wäre kaum überrascht gewesen, hätten sich Alligatoren gezeigt, oder der Kopf eines Krokodils. Eine Riesenschlange wäre auch kein großes Wunder in dieser verwunschenen Ecke. Die Geräuschkulisse ist im Mai und Juni stets, als läge unsichtbar ein gewaltiger Frosch verborgen, der aus tausend Öffnungen seiner Hautblasen heraus kirrend, gurrend und keckernd Laute entlässt, mich zu locken. Wohin mein Ohr auch dringen mochte, der Wald verbarg sich, düster dräuend hinter den Lauten seines unheimlichen Riesentümpels. Wie ein Wurm windet sich der Altarm durch tiefes Unterholz und verliert sich im Vagen. Er liegt hinter dem lieblichen Garten, wie ein verwunschener Gigant. Jederzeit bereit, mich zu verschlingen.

Steemians

Einer inneren Stimme folgend, hatte ich die Kamera zuhause gelassen. Dumm gelaufen. Ich hätte sogar ein Bild von Thors Hammer liefern können, der an der Grenze zu Stallungen und Weide im Boden versenkt ist. Es ist ein überraschend komplexes, gleichzeitig einfaches Monument aus drei gewaltigen Steinen unterschiedlicher Grundform. Beinahe, wie ein Kreuz. Ich sage euch, liebe Leser, die Waldis haben es drauf mit der Kunst.

Meine Nichte will ihre endlich auch auf den Steem bringen. Ich habe schon vieles von ihr gesehen. Sie malt wirklich wunderbar. Das mit dem Steem ist das Ergebnisse meines Besuches dort. Ich bin gespannt, wie weit meine Überzeugungskraft reichen wird. Hätte ich die Kamera dabei gehabt, wüden die Leser sehen, wie Thors Hammer aussieht. Aber so wollt ihr das Bild auch noch sehen und die Spannung wird, unmerklich, oben gehalten. Insofern ist alles richtig gelaufen und gar nichts dumm.

In dieser Reihe sind bisher erschienen:
Land der großen, weißen Wolke I, II, III, IV, V, VI und VII.

Tilelbild: Die alte Karte eines Rhein–Teilstücks wor der Begradigung habe ich, mit vielem Dank von Wikipedia bekommen.


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Just a Frog in the STEEM of the Steem.

Wir wollen immer besser werden. Dafür müsst ihr heute keine Regeln mehr pauken. Das Apostroph findet ihr zum Beispiel hier.


Mir ist schon klar, dass es eigentlich „Land der langen , weißen Wolke“ heißen müsste. Aber das machst du dem Steem nicht mehr klar. Ich meine man sollte, zumindest auf Antrag, nachträglich am Content fummeln dürfen, lieber Witness. Das funktionierte mit dem Monat Karenz der alten Zahlungsperiode noch wesentlich besser. Sieben Tage (HF 18/19) sind eine ziemlich brutale Einschränkung für Autoren, wie Verlage. Wollte man tatsächlich die Seele eines Verlages auf dem Steem aufbauen, hätte man nach dem Authoring nicht einmal Zeit für für das Lektoriat. Das funktioniert so nicht.